Ich gebe auf
Diese Aussage zu lesen ist komisch. Es ist so als würde ich etwas Trauriges, Negatives ankündigen. Doch eigentlich hatte dieser Gedanke heute eine beruhigende, befreiende Wirkung auf mich. Doch was will ich genau aufgeben? Ich kann mein Hobby aufgeben, ich kann mich selbst aufgeben, ich kann sogar einen Brief aufgeben. So vieles, was man aufgeben kann manches leichter als anderes. Das Wort besteht aus dem „auf“ und „geben“. Da frage ich mich, wem gebe ich das und wo zum Geier ist auf?
Ich möchte heute kein Paket aufgeben. Nein, vielmehr möchte ich eine Vorstellung von mir aufgeben. Es geht dabei, um meine perfekte Version von mir, der ich immer hinterherzulaufen scheine. Ich habe nicht erkannt, wo mich der Weg zur Perfektion hingeführt hat. Ich habe nicht gemerkt wie es mich auslaugt. Habe nicht gesehen, dass ich von mir selbst weggelaufen bin. Täglich plagen mich meine eigenen hohen Erwartungen und ich befinde mich wie in einem Hamsterrad. Das blöde am Hamsterrad ist, dass man ewig so weiterlaufen könnte und dennoch das Gefühl hat nicht voranzukommen. Stattdessen hat man am Ende keine Energie mehr, ist erschöpft und seinem Ziel kein Stück näher. So ist das mit der Perfektion, man kann sie sich vorstellen, doch man wird sie nie ganz erreichen.
Auch ich stecke in meinem ganz eigenen Hamsterrad, ich glaube nur, dass ich es lange nicht gemerkt habe. Ein Hamsterrad ist rund und eben, man erkennt es nicht, wenn man in einem steckt, aber außerhalb des Rads ist eine andere Welt. Ich laufe nun schon so lange im Rad, sodass meine Ecken abgerundet, meine Kanten abgeschliffen, ich selbst abgestumpft sind. Ich habe geglaubt, dass ich in das Rad muss, um mir zu gefallen. Nur noch ein paar Runden laufen, dann kann ich hier wieder raus… Und wie das so ist, kommt das Rad einmal ins Rollen ist es schwer wieder auszusteigen. Ich bin so schnell gelaufen, dass ich nicht mehr weiß wie man das Rad anhält. Wenn man erstmal Fahrt aufgenommen hat, dann läuft es irgendwie fast von selbst und ich bewege mich mit ihm. Werde ich mich überschlagen, wenn ich aufhöre? Werde ich mir wehtun? Im Rad wird alles nur schneller, doch wie werde ich wieder langsam? Ich bin so beschäftigt dieser perfekten Illusion von mir hinterherzulaufen, dass ich meine Frustration kaum spüre. Doch heute wurde es mir klar: ich bin müde. Mein inneres Kind will hier raus, es will bremsen.
Was ist, wenn ich einfach aufgebe und aufhöre die Beste sein zu wollen? Was wenn ich das Rad anhalte und sage: „Keinen Bock mehr zu laufen, mir reichts!“ Dann bin ich halt eben schlecht im Laufen! Ist mir alles egal, weil ich möchte mich nicht länger rennen lassen und weiterhin unglücklich sein. Ich mache es so wie ich es kann und nicht mehr so wie ich es von mir erwarte. Beim Schreiben dieser Sätze durchströmt mich die Erleichterung, die Energie. Ich spüre eine frische Brise Leichtigkeit. Ich höre auf zu laufen und alles steht auf einmal still. Vorsichtig gehe ich einen Schritt nach dem anderen aus dem Rad und bleibe stehen. Ich stehe. ICH STEHE. Ich kann stehen. Ich kann ruhen – in mir. Die Erschöpfung lässt nach. Ich schaue mir meine Umgebung an und bin froh sie endlich zu sehen. All die wunderschönen Dinge, die die ganze Zeit hier waren. Ich bleibe stehe und entspanne. Lasse es auf mich wirken. Und jetzt wird mir klar: Das war alles hier, das bin ich. Und genau so ist es richtig. Endlich. Es hat viele Jahre im Rad gedauert das zu Lernen, aber jetzt bin ich dankbar, dass ich raus bin. Es gibt so viel zu entdecken.